Kombinierte Präventionsleistung für Arbeit mit Schichtanteilen (KomPAS)

Kombinierte Präventionsleistung für Arbeit mit Schichtanteilen (KomPAS)

 

Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz bietet seit Mai 2011 eine Kombinierte Präventionsleistung für Arbeit mit Schichtanteilen (KomPAS) an, die gesundheitliche Gefährdungen bei der Risikogruppe der Schichtarbeiter vorbeugen soll. Arbeiten zu wechselnden Tages- und Nachtzeiten wirken sich vielfältig aus. Zu den Gesundheitsstörungen, die mit Schichtarbeit verbunden sind, zählen insbesondere Schlafstörungen, Fatigue, Vigilanzstörungen, gastrointestinale und metabolische Störungen, kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebserkrankungen sowie ein erhöhtes Risiko für Angststörungen und Depression. Auch die Unfallgefahr am Arbeitsplatz sowie im Verkehr ist erhöht, und aufgrund des abweichenden Tagesrhythmus finden sich gehäuft soziale Probleme. Die Maßnahme KomPAS besteht aus einer 10-tägigen stationären Phase in einer Rehaklinik (Drei-Burgen-Klinik in Bad Münster am  Stein-Ebernburg), einer  anschließenden 8-wöchigen berufsbegleitenden Phase in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen sowie einem Auffrischungstag in der Rehaklinik (der aufgrund organisatorischer Probleme jedoch entfiel). Neben einer umfassenden Eingangsuntersuchung sowie klassischen Elementen der medizinischen Rehabilitation werden z.B. Themen wie Umgang mit Stress, gesundheitsbewusste Ernährung und Bewegung vermittelt.
In Kooperation  mit drei Großbetrieben (Schott AG in Mainz, Aleris Aluminium Koblenz GmbH und Boehringer Ingelheim Pharma in Ingelheim am Rhein) wurden Schichtarbeiter aus diesen Betrieben der KomPAS-Maßnahme als Teilnehmer zugeführt und ein Jahr lang evaluativ begleitet. Erhoben wurden soziodemographische Angaben, die Arbeitsfähigkeit (WAI) der Teilnehmer, die psychosoziale Gesundheit (HEALTH-49), der subjektive Gesundheitsstatus / die gesundheitsbezogene Lebensqualität (IRES-24), die Bereiche Erholung und Belastung (EBF), der selbsteingeschätzte allgemeine Gesundheitszustand (Frage aus dem ALLBUS) sowie bestehende Risikofaktoren und die Zufriedenheit mit der Maßnahme. Zu Beginn der Maßnahme erfolgten weiterhin eine Reihe qualitativer Auswertungen in Form von Fokusgruppen sowie telefonischer oder persönlicher Interviews und / oder Gespräche mit beteiligten Therapeuten, den Teilnehmern selbst und Mitarbeitern aus den Betrieben (u.a. mit den Betriebsärzten).

 

Es findet sich eine hohe Zufriedenheit der KomPAS-Teilnehmer mit der Maßnahme. Diese wird überwiegend als sehr positiv bewertet. Die Arbeitsfähigkeit der Teilnehmer ist zu allen Messzeitpunkten beeinträchtigt und im Vergleich zur Norm als „mittelmäßig“ bis „schlecht“ einzustufen. Ein Jahr nach der Teilnahme an KomPAS ändert sich hieran nichts. Hinsichtlich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und der psychosozialen Gesundheit finden sich – von der Norm abweichende – Beeinträchtigungen, die sich ein Jahr nach Abschluss der Maßnahme in einzelnen Aspekten verschlechtern. Der allgemeine, selbsteingeschätzte Gesundheitsstatus liegt zu allen Messzeitpunkten im Mittelfeld und verändert sich kaum. Für die Bereiche Erholung und Belastung findet sich eine statistisch bedeutsame Verbesserung, die jedoch sowohl bei Eintritt in KomPAS als auch ein Jahr später in der Norm liegt. Bezüglich einer Reihe von Risikofaktoren (u. a. falsche Ernährung und Bewegungsmangel) zeigt sich ein Jahr später eine bedeutsame Verbesserung für die Teilnehmer.

 

Probleme die sich im Ablauf von KomPAS ergeben haben, so z.B. der Wegfall des Auffrischungstages, die geringen Teilnehmerzahlen oder das therapeutische Angebot werden lösungsorientiert diskutiert. Anregungen gehen u. a. dahin, einen Case-Manager mit einzubeziehen, der die Teilnehmer während und nach der Maßnahme begleitet, den Auffrischungstag zu re-etablieren, das ambulante Angebot betriebsnah anzubieten sowie das dicht gedrängte, stationäre Angebot individueller zu fokussieren und damit auf relevante Aspekte zu beschränken.

 

Gesundheitsförderung in Betrieben wird im Allgemeinen unter drei Oberbegriffen diskutiert: (1) Der Arbeitsschutz stellt das klassische Gebiet der betriebsbezogenen Gesundheitspolitik dar. Hierunter fallen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor arbeitsbedingten Sicherheits- und Gesundheitsgefährdungen. Das Ziel ist die Verhütung von Arbeitsunfällen und der Schutz der Arbeitnehmer vor schädigenden Arbeitsbedingungen. (2) Betriebliche Gesundheitsförderung entspricht dem von der WHO geprägten Settingansatz. Hierzu zählen Maßnahmen,  durch die gesundheitsrelevante Belastungen der Beschäftigten gesenkt und Ressourcen gestärkt werden sollen. Einzelne Maßnahmen betreffen die Ergonomie, die Arbeitsorganisation, das Betriebsklima sowie das individuelle Verhalten der Beschäftigten. Betriebliche Gesundheitsförderung setzt häufig bei hoch belasteten Gruppen an. (3) Im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements werden schließlich Arbeitsschutz, Maßnahmen der Gesundheitsförderung und weitere Ansätze der Personal- und Betriebspolitik zu einem umfassenden Konzept zusammengefasst (Naidoo & Wills, 2010).

 

Es gibt eine Reihe von Gründen, den Betrieben eine zentrale Rolle bei der Gesundheitsförderung zuzuweisen (vgl. Naidoo & Wills, 2010). Dort wird der Zugang zu weitgehend gesunden Erwachsenen ermöglicht, besonders zu Männern, die eine ansonsten eher schwer erreichbare Zielgruppe für Maßnahmen der Gesundheitsförderung darstellen. Außerdem sind die Beschäftigten eines Betriebes eine in sich weitgehend geschlossene Adressatengruppe, was die Chancen der (langfristigen) Beteiligung an entsprechenden Programmen erhöht. Zudem belegen Studien auch den wirtschaftlichen Wert gesunder Arbeitsbedingungen (z. B. geringerer Krankenstand, höhere Produktivität; Slesina & Bohley, 2011).

 

Veränderungen in der Arbeits- und Berufswelt (z. B. Arbeitsverdichtung, Auflösung der Kernarbeitszeit, Befristung von Arbeitsverträgen, Leih- und Zeitarbeit, computergestützte Technologien, Konkurrenz- und Kostendruck, Angst vor Arbeitsplatzverlust) haben in den letzten Jahrzehnten zu veränderten körperlichen, vor allem aber auch psychosozialen Belastungen von Beschäftigten geführt. Zusammen mit der Verlängerung der Lebensarbeitszeit und dem abzusehenden Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften in den Betrieben, führt das zu einem verstärkten Bedarf an Rehabilitationsleistungen, die den Verbleib im Erwerbsleben fokussieren.

 

Besonderes Gewicht kommt dabei der Prävention von Gesundheitsstörungen zu, die langfristig zu chronischer Krankheit und dem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben führen könnten. Nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI hat die Rentenversicherung die Möglichkeit, medizinische Leistungen zur Sicherung der Erwerbsfähigkeit für Versicherte zu erbringen, die eine besonders gesundheitsgefährdende Beschäftigung ausüben. Bis zur Änderung dieses Paragraphen im SGB VI waren solche Leistungen allerdings nur stationär möglich und richteten sich in erster Linie an Versicherte in körperlich sehr belastenden Berufen, wie z. B. im Bergbau oder in der Schwerindustrie. Seit der Änderung des § 31 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI, die am 1. Januar 2009 in Kraft trat, können präventive Maßnahmen nicht nur stationär, sondern auch ambulant angeboten werden (Moser et al., 2010). Parallel zu dieser gesetzlichen Änderung hat die Rentenversicherung selbst ihre Verwaltungsrichtlinien zu dem entsprechenden Paragraphen dahingehend überarbeitet, dass als besonders belastende Erwerbstätigkeiten nicht nur körperlich schwere Arbeiten, sondern auch Tätigkeiten mit besonderer psychischer Belastung angesehen werden (z. B. hohe Anforderungen an Konzentration, Reaktionsvermögen und Verantwortung). Darüber hinaus werden seither individuelle Kontextfaktoren, wie z. B. Übergewicht, Bewegungsmangel oder Suchtverhalten, bei der Beurteilung des Präventionsbedarfs berücksichtigt (ebd.). Mit dieser gesetzlichen Grundlage sind vorbeugende Angebote einer aktiven Gesundheitsförderung bei Risikogruppen möglich, die dazu beitragen sollen, dass chronische Erkrankungen gar nicht erst entstehen (Friemelt & Ritter, 2012).

 

Eine solche besonders gefährdete Gruppe sind die Schichtarbeiter. Arbeiten zu wechselnden Tages- und Nachtzeiten wirken sich auf den Schlafrhythmus, das Ernährungsverhalten und das soziale Umfeld aus. Zu den Gesundheitsstörungen, die mit Schichtarbeit verbunden sind, zählen insbesondere Schlafstörungen, Fatigue, Vigilanzstörungen, gastrointestinale und metabolische Störungen, kardiovaskuläre Erkrankungen, Krebserkrankungen sowie ein erhöhtes Risiko für Angststörungen und Depression. Auch die Unfallgefahr am Arbeitsplatz sowie im Verkehr ist erhöht und aufgrund des abweichenden Tagesrhythmus treten soziale Probleme gehäuft auf (Culpepper, 2010; Scheer et al., 2009).

 

Vor diesem Hintergrund hat die Deutsche Rentenversicherung Rheinland-Pfalz das Programm „Kombinierte Präventionsleistung für Arbeit mit Schichtanteilen (KomPAS) aufgelegt, das den gesundheitlichen Gefährdungen bei  dieser Risikogruppe vorbeugen soll. Die Maßnahme besteht aus einer 10-tägigen stationären Phase in einer Rehaklinik sowie einer anschließenden 8-wöchigen berufsbegleitenden Phase in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen und einem Auffrischungstag. Neben einer umfassenden Eingangsuntersuchung sowie klassischen Elementen der medizinischen Rehabilitation werden z. B. Themen wie Umgang mit Stress, gesundheitsbewusste Ernährung und Bewegung vermittelt. Einzelheiten zu KomPAS finden sich in dem Konzeptentwurf (Keck, 2010). Eine Besonderheit von KomPAS und eine essentielle Voraussetzung für einen Erfolg des Programms ist die enge Zusammenarbeit zwischen der DRV Rheinland-Pfalz und großen regionalen Betrieben und den dortigen betriebsärztlichen Diensten.